Kampfkunst als Weg

Die fernöstlichen Kampfkünste beinhalten eine umfassende Strategie zur Harmonisierung von Körper und Geist und damit zur höheren Effizienz auf allen Gebieten unseres Alltags, im Privatleben wie in der Arbeitswelt. In ihrer höchstentwickelten Form sind sie viel mehr als nur der Wettkampf zweier Gegner auf physischer Ebene oder gar ein Mittel, einem anderen Menschen den eigenen Willen aufzuzwingen oder ihm Schaden zuzufügen. Ein Kumite in Vollendung hebt die Dualität zwischen getrennten Egos/Persönlichkeiten auf. Karate, Kung-Fu, Aikido, Kendo und die anderen Kampfkünste sind in ihrer eigentlichen Bedeutung vielmehr Zugangstore zu seelischer Harmonie, innerem Frieden und tiefem Selbstvertrauen.
Dies wird nicht überraschen, wenn man weiß, daß der Zen-Mönch Bodhidarma, der etwa im sechsten Jahrhundert von Indien nach China wanderte, die Entwicklung der Kampfkünste sehr beeinflußte. Er stellte fest, daß geistige Übungen allein für seine Schüler nicht den gewünschten Erfolg brachten. Aus dieser Erkenntnis heraus und da die Mönche zu jener Zeit oft überfallen wurden, entwickelte er die Kampftechnik des Shaolin Kung Fu. Seitdem blieben die Kampfkünste immer eng mit verschiedenen philosophischen Wegen verbunden wie etwa dem Zen-Buddhismus und dem Taoismus.

Kampf- und Kraftdemonstrationen haben nicht das Geringste mit Kampfkunst im eigentlichen Sinn zu tun. Die großen Kampfkunstmeister würden sich schämen, wenn sie gezwungen wären, ihre Kunst auf der Straße anzuwenden, selbst wenn dies aus einem berechtigtem Grund geschehen würde. Mit korrekter Haltung und wachem Geist lassen sich fast stets Möglichkeiten finden, eine solche direkte Konfrontation zu vermeiden, ohne das Heft aus der Hand zu geben.

Wird Kampfkunst richtig verstanden und kompetent vermittelt, entwickeln sich im Laufe der Zeit verschiedene Qualitäten wie Präsenz und Wachheit, Gelassenheit und Selbstvertrauen, Disziplin und Selbstbeherrschung.

Der Weg zur Entwicklung dieser Qualitäten führt über die Selbsterkenntnis, die Schulung von Bewußtsein und richtiger Körperhaltung und über das Erfahren und schrittweise Überschreiten der eigenen Grenzen. Hat man seine Mitte gefunden, gewinnt man die Fähigkeit, je nach Situation zwischen Standfestigkeit und Anpassung, zwischen Geradlinigkeit und Flexibilität zu wählen.

Eine einzige Trainingsstunde im Karate bei einem Lehrer, der das Herz der Kampfkünste lehrt, kann die gleiche Wirkung haben, wie eine Stunde sportlicher Betätigung, eine Stunde Meditation und eine Stunde Atemübungen zusammengenommen.

Um zu siegen, mußt Du in die Haut Deines Gegners schlüpfen. Wenn Du Dich selbst nicht kennst, wirst Du immer verlieren. Wenn Du Dich selbst kennst, wirst Du die Hälfte Deiner Kämpfe gewinnen. Wenn Du Dich und Deinen Gegner kennst, wirst Du immer siegen.

TSUTOMU OSHIMA

In den Kampfkünsten entscheidet der Augenblick über Sieg oder Niederlage. Eine Situation muß dabei intuitiv in all ihren Aspekten erfaßt werden, die richtige Handlung ergibt sich dann spontan und zwangsläufig.

Wer sich kennt und kontrollieren gelernt hat, kann die Anforderungen und Geschehnisse des täglichen Lebens souverän bewältigen, seien diese beruflich oder privat. Er steht dem Leben mit einer aufmerksam-gelassenen Haltung gegenüber.

Welche Haltung wir haben, die Art und Weise wie wir reden, uns bewegen, uns verhalten, beeinflußt unsere Umgebung. Jede Geste ist wichtig: Wie man ißt, wie man sich wäscht, wie man sich ankleidet, wie man sich seiner Familie gegenüber verhält, wie man arbeitet. Man muß ganz in dem sein, was man tut.

Die erlernten Bewegungen müssen letztlich völlig mit dem Geist verschmelzen. Jeder Augenblick erfordert die Bereitschaft, die Handlung ganz und gar auszuführen, in sie alle verfügbare Energie zu investieren. Der Gegner muß während des Trainings im Geist immer gegenwärtig sein.

Das gezielte Training von Körper und Geist bewirkt eine harmonische Haltung, die in Fleisch und Blut übergeht und sich im Körper verankert. Daß dies nicht innerhalb weniger Monate, sondern nach Jahren der Widmung erreicht werden kann, versteht sich von selbst.

Fließe mit dem Geschehen und befreie Deinen Geist:

Bleib in Deiner Mitte, indem Du akzeptierst,

was immer Du gerade tust. Das ist die höchste Kunst.

CHUANG TSE

kumite1x

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